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[Editorial] Die Macht des E-Commerce fordert Gerichte und Gesetzgeber heraus

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Große E-Commerce-Händler wie Amazon oder Ebay rufen mit ihrer Marktmacht nicht nur Verbraucherorganisationen auf den Plan, sondern fordern in zunehmendem Maße auch Gerichte und Gesetzgeber heraus. Wie sonst wäre es zu erklären, dass es zur Zeit Verordnungen im E-Commerce nur so hagelt? Es vergeht kaum eine Woche ohne entsprechende Medienmeldungen.

Der BGH schreibt Preisauszeichnungen vor

Den Anfang machte Ende März der Bundesgerichtshof (BGH ). In höchster Instanz hat das Gericht entschieden, dass Händler, die ihre Produkte in Preissuchmaschinen bewerben, diese auch zu dem dort angegebenen Preis im eigenen Shop-System anbieten müssen. Preissuchmaschinen aktualisieren die Angebote allerdings nicht sofort, sondern mitunter verzögert.

Shop-Betreiber dürfen daher den Preis im eigenen System erst dann erhöhen, wenn die Suchmaschinen, bei denen sie werben, die Änderungen auch übernommen haben. Auch die Ausrede “Alle Angaben ohne Gewähr” lässt das BGH in diesem Fall nicht gelten. Dem Händler sei es zuzumuten, mit der Umstellung so lange zu warten, bis der neue Preis in der Suchmaschine erscheine.

Das Urteil hat bereits mehrere Folgen gehabt. So zeigen nun zahlreiche Shops und Verbraucherplattformen wie Ciao.de eine Warnmeldung an, die darüber informiert, dass die gezeigten Preise nicht die aktuellsten sein können. Shopbetreiber müssen sich anderweitig behelfen.

EU in Sachen Ebay

Wenige Wochen später legte die EU-Kommission ein weiteres Gesetz vor. Die neue Fassung der »Gruppenfreistellungsverordnung für Vereinbarungen zwischen Herstellern und Vertriebshändlern« regelt, wie Hersteller und E-Retailer Vertriebseinschränkungen handhaben sollen. In Kraft tritt die neue Gruppenfreistellungsverordnung im Juni und soll mit einer einjährigen Übergangsphase bis 2022 gelten. Hintergrund ist ein Rechtsstreit zwischen Ebay und dem Luxuskonzern Moët Hennessy Louis Vuitton Group über die Zulässigkeit von Vertriebseinschränkungen.

Die Neuregelung scheint für den Außenstehenden Hersteller wie Vuitton zu begünstigen, doch Ebay legt das Gesetz zu seinen Gunsten aus. Vuitton will seine Luxusprodukte in angemessenem Rahmen präsentiert sehen, also in stationären Ladengeschäften, kann aber künftig zugelassene Händler nicht mehr daran hindern, die Ware auch online anzubieten. Möglich sind jedoch qualitative Einschränkungen beim Online-Vertrieb: „Ein Hersteller kann verlangen, dass ein Händler nicht über eine Webseite verkauft, die den vereinbarten Qualitätsstandards nicht entspricht“, besagt die EU-Verordnung. Vuitton steht es nun also frei, Ebay zu einer „nicht angemessenen Verkaufsumgebung“ zu erklären.

Ebay sieht das ganz anders. »Unsere Kampagne gegen missbräuchliche Beschränkungen im Onlinehandel bei alltäglichen Konsumgütern war ein Erfolg. Von jetzt an sind Hersteller dazu verpflichtet, ihre selektiven Vertriebssysteme offener und transparenter zu gestalten«, heißt es in einer Stellungnahme der Online-Plattform. Demnach dürfe Vuitton & Co. nicht von Onlinehändlern verlangen, zugleich über ein Ladengeschäft verfügen zu müssen, um ein autorisierter Händler zu sein. Wer hat nun Recht mit seiner Ansicht?

Amazon prescht vor

Seit dem 31. März schreibt Amazon seinen Online-Händlern auf Amazon Marketplace die Höhe ihrer Preise vor. „Für diese Verkäufer bedeutet ‚Preisparität’, dass der Artikelpreis und der Gesamtpreis (insgesamt zu zahlender Preis, ohne Steuern) für alle Artikel, die ein Verkäufer auf Amazon.de anbietet, im Vergleich zu anderen nicht ladengeschäftgebundenen Vertriebskanälen dieses Verkäufers, grundsätzlich gleich günstig oder günstiger sein müssen.”

Auf diese Weise will sich Amazon sicherlich eine führende Marktposition erhalten, aber auch entsprechende Verkaufsprovisionen sichern. Das kann man nachvollziehen. Offiziell formuliert das Unternehmen jedoch etwas anderes: „Wir glauben, dass dies dem Erhalt des Vertrauens der Kunden in Amazon.de Marketplace dient, was wiederum den Wert von Amazon.de Marketplace für Verkäufer erhöhen kann.”

Mit dieser „Verordnung“ à la EU-Kommission und BGH hat sich Amazon nicht nur Ärger bei seinen Verkäufern eingehandelt. Marktexperten sehen zudem ganz klar das deutsche Kartellrecht verletzt. Gut möglich, dass das Bundeskartellamt demnächst bei der Amazon-Konzernführung vorstellig wird, um seinerseits mal die rechtliche Lage in Deutschland zu erklären.

Resümee

Der Milliardenmarkt des E-Commerce ist zu einem Zankapfel geworden, in dem nicht mehr „die freien Kräfte des Marktes“ walten, sondern in dem gesetzliche Regelungen dafür sorgen müssen, wie dieser Handel im einzelnen gehandhabt wird. Es geht um ein rasch wachsendes Milliardengeschäft, das zunehmend auch von Mobile Commerce ergänzt wird – ein weiterer Fall von Casino-Kapitalismus also? Hoffentlich nicht.

Daher sollte sich der Endverbraucher ebenso wie der kleine Online-Händler fragen, was für ihn das Beste ist. Das BGH-Urteil soll die Position des Konsumenten stärken, aber die Erlasse der EU und Amazons dienen eher den Interessen der Händler statt der Verbraucher. Es ist ratsam, die Entwicklung der Lage weiterhin genau zu beobachten. Endverbraucher sollten ihre Ansicht über Verbraucherorganisationen veröffentlichen.

Michael Matzer, editor Germany

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