Zunehmend tauchen in Online-Shops Erfahrungsberichte von Anwendern, die zu Produktdetailseiten gestellt werden. Anbieter solcher Erfahrungsberichte wie Shopzilla und Bazaarvoice drängen nun stark auf den deutschsprachigen Markt. Für viele Online-Shops stellt sich die Frage: Wozu brauchen sie Erfahrungsberichte? Können sie den User-generated Content (UGC) trauen oder sollten sie lieber auf fundierte Testberichte setzen? Wie so oft liegt die Wahrheit dazwischen.
Eine wachsende Zahl von Online-Shops erkennt die Vorteile der von Anwendern erstellten und kostenlos auf Verbraucherplattformen eingestellten Erfahrungsberichte. Denn laut aktuellen Marktuntersuchungen (u.a. von BITKOM) vertrauen vier von fünf deutschen Shopbesuchern der Erfahrung anderer Kunden.
Doch nur ein Drittel aller deutschen Online-Shops bietet bislang Kundenwertungen auch tatsächlich an, obwohl sie dadurch ihren Umsatz durch Erhöhung der Konversionsrate steigern könnten. Findet der Kunde keine Bewertungen, verlässt er die Website und sucht woanders nach Erfahrungsberichten, die ihn bei der Kaufentscheidung unterstützen.
Der Nutzen von Erfahrungsberichten der Verbraucher ist also unbestritten. Doch die Frage ist a) ob diese Berichte immer etwas taugen oder sogar Fakes sind und ob sich b) ihre Nutzung für Search Engine Optimization nutzen lässt sowie c) ob bestellte Testberichte nicht hilfreicher sind.
Bitte keine Fakes!
Wie der Fall der von der Firma Belkin bestellten und bezahlten Erfahrungsberichte auf Amazon.com im Januar 2010 zeigte, ist Vorsicht bei Anwenderberichten geboten. Deshalb sind Filter von besonderer Bedeutung, um Fakes auszuschließen. Der Anbieter Shopzilla betreibt hierfür ein aufwendiges System. Ein Regelwerk filtert offensichtliche Fakes aus und ein Moderator schaltet sich zusätzlich ein, um Inhalte zu untersuchen. Außerdem schützt sich dieser Anbieter von Verbraucherberichten durch entsprechende Allgemeine Geschäftsbedingungen.
Die Rolle von SEO
Doch Shopzilla bietet im Unterschied etwa zum Wettbewerber Bazaarvoice eine Suchmaschinenoptimierung (DirectSEO) an, die entscheidend für den Erfolg von Verbrauchertexten bei Google & Co. ist. Die Erfahrungsberichte sind durchsuchbar und mit Tags sowie Attributen versehen. Auch durch die Eingabe von Suchattributen lassen sich Reviews und Produkte ganz gezielt finden, nicht nur im Shop, sondern auch in Suchmaschinen.
Bei Diapers.com etwa ergaben sich – nach Angaben von Shopzilla.com – durch DirectSEO und der damit verbundenen Nutzung von Reviews, Kommentaren und Attributen direkt in den HTML-Code ein um 49 Prozent höherer Such-Traffic und um 33,2 Prozent höhere Suche-getriebene Verkäufe. Zudem verweisen Links in Trefferlisten nicht auf eine Subdomain, sondern auf die Review selbst, von wo der User direkt einen Kauf tätigen kann.
UGC versus Testberichte
Der User-generated Content ist sicherlich preiswert und umsatzsteigernd, aber liefert er auch den gleichen Nutzwert wie professionelle Testberichte, mag sich so mancher Shopbetreiber fragen. Die Antwort besteht darin, dass Testberichte und UGC einander je nach dem Themengebiet ergänzen.
Professionelle Tester müssen bezahlt werden und finden sich deshalb in der Regel nur in Verlagen. Tester gibt es sicherlich auch in großen Unternehmen, aber sie sind parteiisch und wenn sie von Verbrauchern als Firmenvertreter erkannt werden, werden sie in der Regel sehr vorsichtig, wenn sie dieser Meinung trauen sollen. Genauso gut könnte Belkin einen Testbericht bestellen. Fazit: Testberichte müssen unparteiisch und unabhängig sein. Dies ist in der Regel – cum grano salis – in der deutschen Presse gegeben.
Testberichte finden sich keineswegs in allen Produktkategorien. So wird man lange suchen müssen, um eine fundierte Kritik einen neuen Joghurtbechers oder eines Lidschattenstifts zu finden. Vielmehr sehen sich Tester gerne in allen Kategorien der Automobile, der IT und der Telekommunikation zu Hause. In diesen Märkten herrscht kein Mangel an Testberichten, die mit fundierten Fakten und Urteilen aufwarten.
Verbraucherberichte finden sich zu (fast) allen möglichen Produkten. Natürlich wird kein Endverbraucher eine Maschine bei Bosch oder Volkswagen testen, wohl aber ein Buch, einen Film oder andere Medien. Auch in Bereichen, in denen Produkte zu individuell sind, herrscht auffälliger Mangel an Erfahrungsberichten, ganz besonders in der Mode. Hier ist der Geschmack ausschlaggebend statt der Standards, Preis, Verarbeitung, Stoff und Verfügbarkeit. Auch Konzerte sind mitunter recht individuell bewertet.
Es gibt Dienstleistungsmärkte, in denen sich Profiberichte und Nutzerberichte überschneiden, ergänzen und widersprechen. Einer dieser Märkte ist die Reisebranche. Hotel- und Restaurantberichte finden sich sowohl von Profitestern als auch von zahlreichen Endkunden. Auch hier findet sich der allgemeine Trend: Profis klopfen die Standardwerte ab wie etwa Verkehrsanbindung, Preis und Sauberkeit, Endkunden betrachten auch den subjektiv empfundenen Service des Personals.
Fazit
Professionelle und unabhängige Testberichte sind in der Regel weitaus weniger preisgünstig als Verbraucherberichte, wie sie von Shopzilla und Bazaarvoice angeboten werden. Welche Quelle für welchen Sektor zu bevorzugen ist, sollte der Shopbetreiber von Fall zu Fall entscheiden. Es gibt durchaus Märkte, aus denen man fast keine Verbraucherberichte findet, etwa Mode oder Maschinen, andere hingegen, wie etwa Medien (Kinofilme, DVDs, Musik-Files, Bücher), sind völlig überrepräsentiert. Gerade bei User-generated Content gilt jedoch: Er sollte gefiltert, geprüft und für Suchmaschinen optimiert sein.
Michael Matzer, editor Germany