Seit Anfang Juli bietet Amazon zwischen Büchern, Hightech und Mode auch 30.000 Lebensmittel in Deutschland und Großbritannien an. Damit liegt der Online-Versandhändler im Trend, denn hierzulande denkt auch Otto.de, der größte Kataloghändler, darüber nach, Lebensmittel an die Kunden zu verschicken. Als Vorbild dient beiden E-tailern offenbar der britische Konzern Tesco.
Tesco hat im Vereinigten Königreich zuletzt rund zwei Mrd. Euro über das Internet erlöst, im Vergleich dazu sind die Umsätze in Germany eher mager: rund 300 Mio. Euro. „Um erfolgreich zu sein, muss das Angebot nahe beim Kunden sein“, empfiehlt der Bundesverband des Deutschen Versandhandels (BVH). Obwohl der BVH eine 12-prozentige Steigerung des E-Commerce in Deutschland voraussagt, lassen gewisse Faktoren doch die Kunden bei Lebensmitteln noch zögern.
Zu diesen Faktoren zählen nicht unbedingt Gammelfleischskandale, sondern so grundlegende Bedingungen wie eine unterbrochene Kühlkette, zusätzliche Versandkosten und womöglich sogar lange Lieferzeiten. Und gebraucht möchte man Lebensmittel natürlich schon gleich gar nicht kaufen, im Unterschied etwa zu DVDs und Büchern. BVH-Präsident Thomas Lipke sieht den Online-Handel den Supermarkt an der Ecke nicht so schnell ersetzen. „Da muss noch eine Menge geschehen“, sagte er auf der BVH-Jahrespressekonferenz.
Schon in den neunziger Jahren hatten deutsche Shopanbieter wie Otto diverse Pilotprojekte gestartet. Doch die meisten wurden schnell wieder eingestellt, denn nur Spezialitäten wie Wein, Single Malt Whisky und personalisiertes Müsli (www.mymuesli.de) verkaufen sich zufriedenstellend. Der Umsatzanteil liegt unter einem Prozent am gesamten deutschen E-Commerce.
Möglicherweise sollten die E-tailer von der stationären Konkurrenz lernen. Große Supermärkte wie REAL der Metro Group haben schon vor Jahren Kundenbindungsprogramme eingeführt, die kartengestützt sind. Belohnungssysteme wie Payback funktionieren im Supermarkt genauso gut wie an der Tankstelle, die sich ebenfalls zu einem größeren Markt gemausert hat, oft schon inklusive Bistro-Ecke, Getränkemarkt und Paketshop (DHL, Hermes). E-tailer sollten also ihren Kunden nicht nur über den günstigeren Grundpreis anziehen, sondern ihn auch explizit belohnen, etwa mit Gutscheinen. Das funktioniert ja bereits im Bookshop von Amazon, wenn man eine gewisse Anzahl von Rezensionen schreibt.
Eine gewisse Attraktivität lässt sich dem Mitmach-Web gerade bei der jüngeren Generation nicht absprechen. So wie deutsche Weinkenner sich jährlich auf den Messen treffen, so treffen sich regelmäßig auch Whiskykenner. Sie bilden ihre eigenen Communitys und geben ihre Tipps weiter. Sollte es Otto oder Amazon gelingen, diese Gemeinschaften für sich zu interessieren und durch Belohnung an sich zu binden, könnte sich das, was Amazon am 1. Juli gestartet hat, statt zu einem weiteren Flop à la neunziger Jahre zu einem Erfolgsmodell entwickeln.