Internet Retailing sprach mit Erwin Mertens, Vice President Deutschland beim BI-Spezialisten MicroStrategy, darüber, welche Bedeutung die Themen Business Intelligence, Cloud, Mobile und Social für deutsche E-Retailer haben.
Dieses Interview ergänzt meinen Reisebericht vom 20. Juli 2011 über die MicroStrategy World 2011 in Monte Carlo, der als Editorial zum Newsletter erschien.
Internet Retailing: Wo sehen Sie in Deutschland den Markt für MicroStrategy Cloud, also Business Intelligence on-demand?
Erwin Mertens: Wir sehen die Nachfrage dort, wo schnell BI Systeme umgesetzt werden müssen, oder maximale Skalierbarkeit nötig ist. Die ersten Interessenten forderten von uns z.B. einen Lasttest für 100.000 User. Aber wer stellt mal auf die Schnelle eine Serverfarm für so viele User hin? Das ist mit unserer Cloud kein Problem, und in zwei bis drei Wochen simulieren wir das fertige Projekt für den Kunden. Derzeit sind auch in Deutschland schon erste Proof-of-Concepts erfolgreich aufgesetzt.
Moment mal – sind Sie selbst Cloud-Provider?
Ja. Unsere Rechenzentren stehen in USA und in London, dort bieten wir eigene vollständige BI-Cloud Umgebungen vom ETL mit Informatica bis zur Datenhaltung und der MicroStrategy BI Umgebung. Dazu kommen weitere lokale Partner mit eigenen Cloud-Angeboten wie z.B. Exasol aus Nürnberg.
Wie geht MicroStrategy auf Mobile-Anforderungen ein, die sicher auch aus dem deutschen Markt auf Sie zukommen?
Seit wir das Thema vor rund einem Jahr gelauncht haben, findet es regen Zuspruch aus allen Branchen. Das iPad ist dabei das bevorzugte Ausgabemedium im Business. Kunden, die oft bisher noch kein BI-Dashboard für das Management erstellt haben, fragten, was das Neue an mobilem BI sei, so etwa die Douglas-Parfümerie. Ich sprach das Thema und die Vorteile mit dem CIO und dem CFO durch, und wir haben daraufhin für Douglas ein mobiles Management Dashboard gebaut: MicroStrategy hat dazu die Apps auf Basis der existierenden BI Lösung erstellt. Die User haben sich relativ schnell damit zurechtgefunden, denn sie kannten ja die Benutzung der Oberfläche schon vom iPhone. Wir nutzen die typischen Gesten wie wischen, zoomen und drillen. Das macht die Bedienung extrem intuitiv.
Metro Group ist schon seit zwölf Jahren unser Kunde, sie haben hier auf unserer Konferenz ihre eigene mobile App gezeigt, die wir zusammen mit ihnen erstellt haben. Bei der Metro Group nutzen über 16.000 Anwender in 32 Ländern Business Intelligence von MicroStrategy, z.B. werden alle Cash & Carry-Märkte damit im täglichen Betrieb unterstützt. Die Frage war, ob wir diese neuartige App dem Top-Management schmackhaft machen können, bisher läuft im Einzelhandel noch viel über reine Tabellen und Ausdrucke. Mit dieser App sind wir bis zum Management Board vorgedrungen, daraus ist ein Leuchtturmprojekt für zukünftige Anwendungen geworden. Der Referent von Metro auf unserer Konferenz, Herr Ulrich Lattekamp, hat deutlich gemacht, dass die User mit dieser App völlig anders arbeiten als mit einer Web-Anwendung.
Die meisten Apps sind ja relativ statisch. Aber wo bleibt denn die Dynamik hinsichtlich Transaktionen? Gibt es dafür schon einen Bedarf?
Also, der Bedarf ist immens, beispielsweise im Retail bei Markt- und Regionalverantwortlichen. Sie stellen sich mit ihrem iPad vor einen Markt, für den sie zuständig sind, das GPS im Endgerät sagt ihnen, wo sie sich genau befinden und zeigt die passenden Berichte. Dazu ein Bild der vor Ort Verantwortlichen und die aktuellen Informationen, je nachdem wie schnell die Kassensysteme und Logistikinformationen eingebunden sind, quasi in Echtzeit.
Er kann dann den Markt betreten und auf Basis fundierter Daten Entscheidungen treffen. Z.B. Bestellungen beschleunigen bzw. anpassen, oder mit Fotos die lokale Situation dokumentieren. Der transaktionale Bedarf kommt dabei zu Beginn häufig aus dem Bereich der einfachen internen Prozesse wie etwa Urlaubsanträge, Spesengenehmigung usw. Immer mehr wird gefordert, aus den wie Sie sagten statischen Apps aktive Interaktionen abzuleiten. Wir sind hier aber noch am Anfang, viele innovative Ideen entstehen bei der Umsetzung beim Kunden.
Also aus internen Prozessen.
Das ist derzeit vorrangig. Viele Kunden wollten wissen, was wir intern bei MicroStrategy damit schon machen. Intern nutzen wir Apps auch für Vertriebs- und Terminplanungen. Mit den Apps können Manager Accountpläne, Urlaubsanträge oder Spesen genehmigen. Aber nicht nur das, sondern auch prüfen, welche Folgen das haben könnte – nicht dass ich z.B. allen Mitarbeitern einen Urlaub genehmige und keiner mehr für die Kunden da ist…
Was wir darüber hinaus als Anwendung für Einzelhändler sehen, ist so etwas wie ein mobiler Einkaufswagen auf dem iPhone. Diese Daten konnten bislang nicht ins System zurückgeschrieben werden, aber jetzt geht das in eine Vielzahl von Datenbanken und ERP Systemen. Solche Anwendungen sind derzeit bei vielen Kunden in der Evaluierung. Die neue Transaktions-Funktion könnte einen Einfluss bis in den Privathaushalt haben, wo man dann mit dem iPhone bestellt oder eine Rechnung kommentiert etc.
Was machen die Mitarbeiter mit der mobilen BI-App von MicroStrategy?
Der Mitarbeiter macht sich von der IT-Abteilung unabhängig und kann seine Informationen mit der mobilen App selbst prüfen. Wenn er dabei einen statistischen “Ausreißer” entdeckt, klickt er darauf, um die dahinterliegenden Details zu prüfen. Der Mitarbeiter bittet Kollegen oder seinen Assistenten, diese Details ebenfalls zu überprüfen. Dabei ist es egal, ob er auch ein mobiles Endgerät hat oder per Web oder Office zugreift, alle Analysen sehen auf jedem Ausgabemedium gleich aus, da sie auf derselben BI-Plattform basieren.
Der Vorteil: Gerade Manager sind ja oft unterwegs. Sie müssen laufend prüfen, ob eine Information noch relevant ist, wenn sie in ein Meeting gehen. DM Drogerie Markt kann beispielsweise permanent die Kassendaten in die Datenbank laden und auswerten. In einem Abstimmungsmeeting können sich so alle Anwesenden durch Synchronisation die gleichen Daten besorgen und reden dann über das Gleiche. Egal welche Zugriffsmethode gewählt wurde.
Wie haben Sie bei MicroStrategy den Zugriff geregelt?
Auch bei uns wurden die ersten iPads mit WLAN gekauft, doch man merkte schnell, dass man das nur im Büro nutzen konnte. Die neuen iPads werden v.a. mit 3G gekauft, mit dem ich jederzeit Zugriff auf meine Daten habe, dazu nutzen wir die Datensicherheitsmechanismen und Verschlüsselung von MicroStrategy. Im Endeffekt heißt das auch für unsre Kunden, dass die Zahl, die sie gerade für eine Entscheidung nutzen, valide und aktuell ist.
Darauf kommt’s an: Einfache Benutzung und Aktualität. Mit dem Mobile-Thema sind wir mehr im Fachbereich unterwegs als früher, nicht nur bei der IT. Bei der Metro Group etwa wurde eine höhere Akzeptanz der mobilen Anwendungen seitens der User festgestellt als früher über Web und Ausdruck, obwohl die Daten die gleichen sind. Alleine durch die andere Nutzungsmöglichkeit ändern sich die Bedeutung und der Blick auf die Zahlen.
Mobile ist also das Gebot der Stunde. Aber der nächste Schub ist doch dann Social. Wo sehen Sie da die Chancen in Deutschland?
Wir sehen extrem viele Chancen für eine Kombination aus Social- und Business Intelligence. Was uns als MicroStrategy bei mobiler Nutzung und Social Media Daten hilft, ist die Tatsache, dass wir gewohnt sind, mit vielen Daten und Usern umzugehen. Big Data und Skalierbarkeit sind unsere Kernkompetenzen. Social Media ist ja DIE Datenbank, die am besten gepflegt ist, denn jeder User gibt seine Daten mitsamt Freigaben selbst ein. Darauf mit Einwilligung des Nutzers zugreifen zu können ist eine Riesenchance für Unternehmen, mit “Gateway for Facebook” bieten wir genau diese Chance.
Bei Adidas, die ja stark auf Facebook vertreten sind, würde das z.B. ein personalisierteres Direktmarketing ermöglichen, weil eine Kategorisierung der Facebook-Fans möglich wird. So ließen sich etwa Events und Kampagnen bewerben, oder auch von Influencern gezielt Feedback einholen. Langfristig kann aus den Informationen die gesamte Lieferkette effizienter gestaltet werden, da man noch detaillierter weiß, von wem, wann und wo welche Artikel gebraucht werden.
Man kann eine Social Graph Analyse der einflussreichsten Fans auf Facebook durchführen. Für Privatpersonen geht das auch kostenlos über unsere Facebook App auf Wisdom.com. Die Analyse lässt sich aus Facebook mit dem neuen MicroStrategy Gateway in die internen Datensysteme integrieren. Die Facebook-Auswertungen liegen in unserer Cloud, diese können dann mit den eigenen CRM oder Vertriebsdaten kombiniert werden. Viele Unternehmen, die in Facebook sind, nutzen heute ihre Chancen zu wenig, aber mit MicroStrategy können sie ihre Fans kategorisieren, selektieren und gezielte Kampagnen aufsetzen.
Man engagiert die Community, bekommt Feedback und kann die Kampagne anpassen. Ein Kreislauf also.
Ganze Marketingabteilungen suchen verzweifelt fundiertes Feedback zu ihren Produkten. Mit dieser Technologie könnte man beispielsweise teure Rückrufaktionen vorher eingrenzen. Facebook fungiert in diesem Kontext wie eine CRM-Datenbank, die alle privaten Informationen der Kunden enthält. Dafür wirkt das MicroStrategy Gateway wie eine große, einstellbare Lupe. Die Entwicklung dieser Technik erfolgt in enger Verzahnung mit Facebook selbst.