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Interview (Teil 2) mit Kai Hudetz, ECC-Handel: Smartphones und der stationäre Handel

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Internet Retailing sprach in Düsseldorf mit Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer der IfH Institut für Handelsforschung GmbH, Köln, über dessen aktuelle Multichannel-Studie vom 6.4.2011 und über den Einfluss von Smartphones etc. auf das Multichannel-Business. (Dies ist der 2. Teil des Interviews. Den 1. Teil finden Sie , die viele Modeartikel anbieten, sowie ähnliche Shopping-Clubs und Modehersteller im Internet boomen.





Hudetz: Ja, ein scheinbarer Widerspruch, der mit einem Schlagwort aufgelöst werden kann, nämlich: Marke. Marken schaffen Vertrauen. Letztlich ist Distanzhandel eine Form des Handels, die sehr stark auf Vertrauen setzt. Ich sehe das Produkt nicht unmittelbar, ich klicke mit der Maus irgendwo drauf und dann vertraue ich darauf, dass dieses Produkt in der mir vorgestellten Qualität in der vorgestellten Zeit nach Hause geliefert wird.

Markenhersteller tun sich sehr viel leichter, dieses Versprechen zu geben. Darauf basieren die Konzepte von brands4friends oder Vente privée: dass hier starke Marken transportiert werden, die aber letztlich als Ergänzung zu dem stationären Handel zu sehen sind, zu dem Erlebnis. Wir stellen auch bei den “heavy buyers” auf Vente privée und co. fest, dass sie dies nicht davon abhält, am Wochenende zum Shoppen in die Innenstädte zu gehen. Emotionalisierung findet immer noch sehr viel häufiger in den stationären Geschäften als im Online-Handel statt.

Kai Hudetz, Institut für Handelsforschung, Köln



Aber letztlich ist es gerade für die Markenhersteller eine Chance, über das Internet direkt zu vertreiben, wenn sie eine starke Marke haben. Dieses Thema steht und fällt mit einer Marke, gerade im Fashion-Bereich. Fashion ist ein schönes Beispiel dafür, dass es nicht immer auf den Preis ankommt. Preis spielt bei Fashion kaum eine Rolle. Es geht mehr um das Soziale, um Anerkennung, Social Networks: Ich möchte wissen, was denn meine Freundinnen zu diesem Outfit sagen, das ich mir zusammengestellt habe.

 

Internet Retailing: Da könnte ich doch ein iPhone hochhalten und eine Videoverbindung zu meiner Freundin aufbauen und eine interaktive Auswahl vornehmen.

 

Hudetz: Richtig. Augmented Reality ist auch ein Schlagwort, das immer stärker diskutiert wird. Ikea testet aktuell eine Möglichkeit, dass der Kunde im Laden ein Sofa aufnimmt und das Bild in das Foto vom eigenen Zuhause einblendet. Um so sehen zu können, wie dieses Sofa bei mir im Wohnzimmer aussieht. Da gibt es schon sehr interessante Möglichkeiten.

Dennoch glauben wir, dass es über Produktkategorien hinweg auch in Zukunft ganz starke Gründe dafür geben wird, den stationären Handel aufzusuchen. Und da ist das Thema “Erlebnis” sehr weit vorne, aber auch Verfügbarkeit und soziales Verhalten gehört dazu. Es ist sehr vielschichtig. Ein Kanal ersetzt nicht die anderen Kanäle, auch wenn er so viele Vorteile bietet wie das Internet, sondern ergänzt sie nur.

 

Internet Retailing: Welche Rolle werden Smartphones spielen?

 

Hudetz: Wir werden das Thema Smartphones künftig noch sehr viel stärker sehen. Mit dem Smartphone kommt das Internet endgültig in die Ladengeschäfte. Das verändert das Konsumentenverhalten nachhaltig.

 

Internet Retailing: Da finden Preisvergleiche vor Ort statt. Ist der Preis online niedriger? Das kann ins Auge gehen, kann aber auch ein Vorteil sein. Und es gibt QR-Codes, die ich im Laden einscannen kann und die mich auf eine Website führen, die mir Mehrwert verschafft, etwa ein Video oder einen Gutschein.

 

Hudetz: Richtig. Das ist in anderen Ländern schon weiter verbreitet als in Deutschland. Insgesamt besteht bei Multichannel die Kunst darin, den Kunden gar nicht bei seiner Kanalwahl zu behindern; alle Versuche, ihn dazu zu erziehen, werden wahrscheinlich über kurz oder lang schiefgehen. Man sollte ihn vielleicht sogar dazu anleiten.

BestBuy macht das in USA sehr erfolgreich mit den QR-Codes: den Kunden Informationen direkt am Regal zu geben und in dem Moment, in dem er den QR-Code liest, ist er in einer Umgebung, die ihm Produkt- und Preisvergleiche ermöglicht. Und nachdem er das Produkt ausgewählt und einsortiert hat, kann er den Befehl geben: “add to cart“. Und dann löst er im Laden tatsächlich einen Online-Kauf bei BestBuy aus.

Den Kunden mit dem QR-Code direkt in die BestBuy-Online-Umgebung zu ziehen, darauf kommt es. So kommt er nicht auf die Idee, bei anderen Unternehmen Preisvergleiche anzustellen. Man muss ihn bewusst leiten. Da muss man natürlich auch ein gutes Informationsangebot bieten…

 

Internet Retailing: Die Customer Journey auf der Website muss stimmen. Und wenn sich das Ambiente des Ladens nicht auch online wiederfindet, entsteht ein Ver- oder Entfremdungseffekt.

 

Hudetz: Kunden werden verwöhnter und anspruchsvoller. Cross-Channel ist eine sehr anspruchsvolle Disziplin. Erfolgreich umgesetzt führt sie jedoch zu erheblichen Zusatzumsätzen und steigender Kundenloyalität.

 

Internet Retailing: Heißt das im Umkehrschluss, dass Multichannel eine Silostruktur hat?

 

Hudetz: Leider gibt es diese Silostruktur noch bei den meisten Unternehmen. Sie ist historisch gewachsen. Früher wurde das Thema E-Commerce in die IT-Schiene geschoben und entsprechend ausgegliedert. Eigentlich haben diese Manager ihr eigenes Ding gemacht, und das Unternehmen hat seine normale Strategie verfolgt.

Cross-Channel hingegen bedingt eine Kommunikation der Bereiche untereinander, bedingt eine Sortimentsabstimmung über bestimmte Kanäle, bedingt eine Preisabstimmung über Kanäle, bedingt eine Abstimmung von Service Levels über verschiedene Kanäle hinaus. Man hat also eine Matrixstruktur, und diese ist wie jede Matrix mit hohen Anforderungen verbunden.

 

Internet Retailing: Glauben Sie, dass Otto.de bereits im Cross-Channel-Modell führend ist?

 

Hudetz: Die Otto Group ist umsatzmäßig der zweitgrößte Online-Händler der Welt. Sie machen sicherlich vieles richtig. Sie haben den Übergang von Katalog- zum Online-Versandhandel geschafft, der inzwischen schon etwa 70% ihres Volumens ausmacht. Beide Modelle sind Distanzhandel und der Übergang ist relativ einfach. Sehr viel schwerer tun sich die stationären Händler, weil das für sie Online-Handel auch einen Schritt in das Neuland “Distanzhandel“ darstellt. Da gelten ganz andere, neue Rahmenbedingungen. Otto hat sich gut behauptet.

Im Bereich der stationären Händler nennen wir sicher Globetrotter, die es an erster Stelle sehr gut geschafft haben, über das ganze Unternehmen hinweg Multichannel zu installieren und letztlich ein Stück weit auch zu leben – bis hin zu der Motivation der Mitarbeiter vor Ort.

 

Internet Retailing: Und auch bis hin zu deren Qualifikation?

 

Hudetz: Ja. Das ist ein wichtiges Thema, das bei Multichannel noch viel bedeutsamer wird. Man muss die Technik bedienen, muss in der Lage sein, mit immer besser informierten Kunden klarzukommen.

 

Internet Retailing: Also ist Marketing auch ein Knackpunkt.

 

Hudetz: Ja. Auch multimediales Marketing. Man muss auch die Kataloge in den Mix einsortieren. Nicht mehr die rigide Arbeitsaufteilung in Katalogbearbeiter, Website Designer und Mitarbeiter im stationären Laden, wie wir es heute eben vielfach haben. Sondern letztlich muss das Marketing aus einem Guss erfolgen.

 

Bei so einem Thema wie “iPad und Katalog” stellt sich die Frage: Wer soll sich darum kümmern? Ist das ein Thema für die Online-Abteilung oder für die Katalog-Abteilung? Wenn es letztere macht, wird es mehr oder minder eine Abbildung des Kataloges sein – und die wird einem um die Ohren gehauen. Herr Lipke von Globetrotter hat das gut dargestellt: Obwohl Globetrotter mit der iPad-App schnell am Markt war, wurde diese von den Kunden extrem kritisch beurteilt, auch im Internet. Allein aus dem Grund, weil die spezifischen Mehrwerte, die ein iPad ermöglicht, nicht umfassend aufgegriffen worden sind.

 

Internet Retailing: Die ganze Bedienungsweise und der ständige Online-Zugang – das sollte gegeben sein.

 

Hudetz: Allein im Katalog blättern zu können, wird nicht als Mehrwert empfunden und kann dann auch schnell zum Bumerang werden. Es ist über alle Bereiche hinweg eine anspruchsvolle Aufgabe, aber letztlich für die stationären Händler ohne Alternative. Sie werden sich dieser Herausforderung stellen müssen, ansonsten verlieren sie mittelfristig Kunden und Marktanteile.

Internet Retailing: Vielen Dank für dieses Gespräch, Herr Hudetz.

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